Wie ich meine Frau kennenlernte

 

Sie ist an mir auf dem Korridor vorbei gehuscht, war sehr konzentriert mit dem Blick auf die Tür, die sie mit  leichtem Schwung und einem Lächeln öffnete und schon war sie ins Zimmer ihrer Klasse verschwunden.

Sie ist mir sofort aufgefallen. Ich ihr umgekehrt wohl nicht . Oder ob sie das vielleicht nie zugegeben hat ?

 

So bin ich ihr zum ersten Mal in der Volksschule in Bad Säckingen begegnet, wo wir beide als Junglehrer unterrichteten . Für sie war es ihre erste Stelle nach dem Studiumsabschluss an der PH Freiburg, für mich die zweite.

 

Auf jeden Fall war meine Neugier und Interesse „auf diesen jungen Hüpfer“ sofort geweckt. Wir sind uns natürlich im Lehrerzimmer begegnet und eben hin und wieder auch auf den Gängen zu unseren Klassenzimmern. Sie war immer fröhlich und freundlich.

Mir hat sehr schnell ihre Art und ihr Wesen gefallen : selbstbewusst, aber sich nicht in den Vordergrund drängend , offen und freundlich und mit einer guten Portion keckem Humor. Ich merkte auch, wie auch andere männliche Kollegen sie mochten und durchaus interessant gefunden haben. Sie nahm dies selbstverständlich hin, ohne Kokettiererei . Später hatte sich heraus gestellt , dass sie auch mit 3 Brüdern aufgewachsen und für sie der Umgang mit „Männern“ absolut normal und zwanglos war. Sie dachte wenig darüber nach, ob ein Mann an ihr Interesse haben könne . Diese mädchenhafte Art hat mir gefallen und mein Interesse geweckt.

 

Ich habe immer öfters versucht , mit ihr direkten Kontakt zu haben, dass sich unsere Wege kreuzten und ich sie damit näher kennenlernen konnte. Ich habe sie zum Beispiel gefragt, ob ich ihr helfen könne, wenn sie schweres Unterrichtsmaterial ins Klassenzimmer tragen musste . Oder ich habe sie um Hilfe gefragt, wenn ich neue Ideen zur Unterrichtsgestaltung für meine Klasse brauchte oder wie sie mit dem einen oder anderen Problem oder Schüler umging.

Die Taschen oder ähnliches habe ich ihr weniger oft tragen dürfen, da war sie schon ganz moderne Frau und hat es eher abgelehnt . Aber unser fachlicher Austausch als Lehrerkollegen ist dann immer intensiver geworden und wir haben sogar einige Unterrichtsstunden gemeinsam ausgearbeitet. Was mich beeindruckte, weil sie das scheinbar mühelos machte, ich habe mich immer schwerer damit getan. Ich konnte also von ihr lernen.

 

Wir haben uns natürlich auch in der Gruppe mit anderen Kollegen und Kolleginnen getroffen und Ausflüge in unserer Freizeit gemacht und Feste und die Fastnacht zusammen gefeiert. Das war immer sehr lustig. Besonders schön war, wenn ich mit ihr tanzte konnte und wir haben immer mehr zusammen getanzt. Und ich denke dabei sind wir uns immer näher gekommen, nicht nur als Kollegen , sondern als Mann und Frau. Tanzen verbindet, so sagt man doch , oder ?

 

Nach einigen Monaten haben wir uns auch immer wieder alleine getroffen , auf einen Kaffee am Rheinufer oder manches mal auch abends . Alles noch ganz harmlos und freundschaftlich , wie es sich gebührte und gehörte. Wir haben dann  immer mehr Gemeinsamkeiten entdeckt, wie die Liebe zur Kunst, Kunstgeschichte, das Tanzen, Reisen und Unterwegs sein, fremde Sprachen . Sie liebte die Literatur , ich mehr den Sport.

 

Immer mehr haben wir uns auch erzählt, woher wir kamen , aus was für Familien wir stammten und zu meiner allergrößten Beruhigung hörte ich endlich, dass sie aus gut katholischem Hause war. Darüber bin ich mir all die Monate nicht sicher gewesen. Mein Gott bin ich erleichtert gewesen ! Ich bin nämlich aus katholischem Hause und es wäre für mich und meine Eltern undenkbar damals gewesen, ein nicht katholisches Mädchen ihnen vorzustellen. Mir fiel ein Stein vom Herzen, weil ich natürlich schon länger meine Gefühle für sie gespürt habe und ich Angst hatte, was ich machen solle, wenn sie aus protestantischem Hause gewesen wäre. Dann hätte ich über Heirat und Familiengründung nicht weiter nachdenken dürfen.

So durfte ich es ! Und endlich habe ich ihr dann meine Liebe  gestanden.

 

Wie sie darauf reagierte?

 

Sie ist mir jedenfalls nicht in die Arme gefallen. Daran erinnere ich mich noch genau. Sie war ein wenig überrumpelt und wusste nicht recht, was darauf zu sagen sei. Sie hat sich noch sehr jung , zu jung für eine Ehe gefühlt. Sie war gerade 23 Jahre. Es war ja Anfang 1960 und damals gab es noch kein Ehe-erproben wie es heute unter den jungen Leuten zugeht . Wenn man sich liebte, wurde geheiratet und dann erst zusammengewohnt und das Bett geteilt. Eben das wollte ich gerne und sie ist sich nicht sicher gewesen.

Ich habe also gemerkt, dass ich „das zarte Pflänzlein nicht verschrecken“ durfte und blieb aber an ihr dran.

Zu meiner großen Freude und Erleichterung sagte sie ja, als ich sie einmal Sonntags zu meinen Eltern nach Laufenburg mitnehmen und sie ihnen vorstellen wollte.

Es war dann ein richtig schöner Nachmittag mit Kaffee und Kuchen dort gewesen, wir lachten und erzählten viel, sie war auch ganz so vertraut, als würde man sich schon lange kennen. Sie hatte anschließend gesagt, dass meine Eltern sehr nett wären , obwohl ich das nicht unbedingt so empfand. Meinen Vater habe ich nur als gestrengen harten Patriarchen erlebt. Er war ja noch aus dem vorherigen Jahrhundert , 1878 geboren. Ich hatte immer Angst vor ihm, als Kind. Gehörigen Respekt dann später.

 

Sie schaffte es wohl mit ihrer unbekümmerten und fröhlichen Art ganz einfach in die Sympathie meiner Eltern . Das hat mich wirklich beeindruckt und dafür liebte ich sie umso mehr.

An Weihnachten habe ich sie dann ganz offiziell gefragt, ob sie meine Frau werden will. Sie hat JA gesagt und beide waren wir glücklich. Wir sagten es auch bald den Eltern und sie haben sich tatsächlich über unsere Verlobung gefreut. So etwas war nicht selbstverständlich. Das war bei meinen älteren Brüdern und ihren Auserwählten teilweise nicht so. Der Vater wollte immer wissen, ob die Frauen auch aus „rechtem ordentlichem Hause kamen“. Sie hatten meine Braut aber offensichtlich ins Herz geschlossen, sie wiederum hat recht schnell ganz selbstverständlich auch Mama und Papa zu den Eltern gesagt.

Später meinte mein Vater einmal zu mir, „das Waisemaidle aus der Pfalz ist eine rechte und hat jetzt wieder eine Familie“. Sie hatten sie offensichtlich adoptiert, wie man das heute sagen würde.

 

Meine Frau hat sehr früh beide Eltern verloren, da war sie gerade einmal 20 Jahre alt, deswegen das Waisemaidle.

 

Im Oktober des Folgejahres haben wir dann geheiratet. Es ist dann doch alles recht schnell gegangen. Davor musste meine Frau noch ihre letzte Prüfung zum 2.Staatsexamen bestehen, daneben die Hochzeitsvorbereitungen und eine gemeinsame Wohnung musste gefunden werden …das war schon eine aufregende Zeit.

 

Es war dann Ende Oktober leider kein goldener Herbsttag mehr, kalt und windig war es, aber meine Braut wunderschön , in einem schlichten, aber eleganten Kleid, ohne viel Firlefanz, sehr natürlich. So hab ich es gemocht, so hab ich sie gemocht. Wir hatten es schön an diesem Tag und warm war es drinnen auch !

 

Erst lange nach der Hochzeit habe ich erfahren, dass der Vater tatsächlich nach der Verlobung einen Privatdetektiv engagiert hatte, der rausfinden sollte, ob das Maidle vom Hans aus einer ordentlichen katholischen Familie stammt. Die anderen Schwiegertöchter stammten bisher eher aus der Gegend, so konnte mein Vater immer eigenständig Informationen über die Familien einholen.

Meine Braut stammte aber aus der Pfalz und das war damals schon ganz schön weit weg und man konnte nicht so einfach hinfahren und sich ein Bild machen oder jemanden fragen, der ihre Familie kannte.

Das war schon ein starkes Stück !

Aber letztlich wurde sie die Lieblingsschwiegertochter ihres Schwiegervaters .

 

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